Vorlesen mit Dr. Borsche

Dr. André Borsche, weltweit renommierter Arzt aus Bad Kreuznach, war dieser Tag in einer ihm etwas fremden Mission unterwegs. Als Lesepate besuchte er die Alfred-Delp-Schule, um dort allen Fünftklässlern, immerhin knapp 200 Kinder, aus Michael Endes Roman „Momo“ vorzulesen.

Der Autor, für seine Jugendbücher „Die unendliche Geschichte“, „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ oder eben „Momo“ bekannt und beliebt, schrieb das 1974 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnete Buch ein Jahr zuvor. Der Untertitel „Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“ lässt aufhorchen und verweist auf die Welt, in der das Mädchen Momo zuhause ist. Doch war es Dr. Borsche ein Anliegen, zunächst einmal die Schülerinnen und Schüler etwas näher kennenzulernen und sie zu ihren Erfahrungen mit dem Vorlesen zu befragen. „An Weihnachten“, „An Ostern“, „Regelmäßig abends und morgens“, „Täglich“ und „Einfach so!“ waren denn nur einige der Antworten der Kinder, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und ein vielfältiges Licht auf das Lesen und Vorlesen im eigenen Zuhause werfen. Dr. Borsche hielt sein „zerfetztes Buch, ordentlich gebraucht“ mit den eigenen fünf Kindern liebevoll hoch, „Vorlesen war eine immer wichtige Sache. Schöne Erinnerungen sind damit verbunden.“ Dann ergänzte er: „Beim Lesen wird man selbst ruhig. Man darf einfach nur aufnehmen. Lesen ist toll, man wird berührt, man liest, was man will. Das Buch, das ich euch heute mitgebracht habe, ist schon 50 Jahre alt und dennoch total aktuell!“ Der Mediziner, der der Einladung der beiden Pädagoginnen Susanne Schnörr, Claudia Römer und der Lesescouts an die Schule gefolgt war, mit Motiven und Zitaten aus„Momo“ dekorierte Stühle zierten die Bühne, gab denn direkt eine kleine Einführung für alle, das das Buch nicht kannten. „Momo“, so erfuhren die Mädchen und Jungen, die gespannt seinen Ausführungen lauschten, „ist aus einem Waisenhaus weggelaufen. Es hält sich in der Ruine eines Amphitheaters in einer hässlichen Stadt auf, trägt zerlumpte Kleider und hat zwei allerbeste Freunde, einer ist jung, der andere alt.“ Und so berichtete Dr. Borsche von Gigi Fremdenführer, einem „hübschen Burschen“ mit „unglaublichem Mundwerk“, und Beppo Straßenkehrer, der „niemals etwas Unwahres sagt“ und einer „sehr notwendigen Arbeit“ nachgeht. „Ihre Armut können sie nicht einfach überwinden, aber in ihren Gedanken sind sie frei und reich an tollen Ideen und Fantasie!“ Eines Tages, so fuhr der Arzt fort, erobern die „grauen Herren“, „Agenten der Zeitsparkasse“, „lautlos und unmerklich die Stadt und ihre Menschen. Nur Momo hatte sie beobachtet. Es war ihr plötzlich kalt, ein inneres Zittern breitete sich aus. Sie fühlte etwas, was sie warnte. Die Puppen, schick anzusehen und mit vielen Extras ausgestattet, kann sie nicht liebhaben.“ Wohl aber Beppo Straßenkehrer und Gigi Fremdenführer. Interaktiv und stets interessiert an den Gedanken der Kinder führte André Borsche, unterstützt durch großartiges Bildmaterial, das, von Susanne Schnörr ausgesucht, großflächig an die Wand projiziert wurde, durch den Jugendroman und schloss mit den Worten: „Wenn es dann spannend ist, dann ist man auch neugierig. Jetzt will man die Lösung wissen. Bleibt ordentlich neugierig! Denn: Im Lesen steckt eine große Kraft!“ Die Schüler zeigten sich beeindruckt von dieser Vorlesestunde und der Mediziner aus Leidenschaft von der Disziplin der Kinder. „Er hat ganz viel Lust zum Lesen mitgebracht!“, urteilte denn auch Leon aus der 5e und sprach damit das aus, was viele andere an diesem Vormittag dachten und empfanden. Lesen – und dies beweisen nicht nur die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie – muss und will geübt werden. Neue Welten tun sich auf und schenken Kraft und Hoffnung!

Autorin: Claudia Römer